Bei der Suche nach einer geeigneten Anlagestrategie, mit der überdurchschnittliche Renditen bei kalkulierbaren Risiken erzielt werden können, stoßen Aktienanleger schnell auf die Levermann-Strategie.
Ihren Namen verdankt die Strategie der ehemaligen Fondsmanagerin Susan Levermann, die ein Instrument zur Aktienauswahl auf Basis von für Anleger frei verfügbaren Zahlen sowie objektiv nachvollziehbarer Faktoren für die Aktienauswahl entwickelt hat.
Die Leverman-Strategie ist eine quantitative Aktienstrategie, die vor allem auf fundamentalen und technischen Faktoren basiert und damit auch in ihrer Systematik stetig wiederholbar ist und gleichzeitig Emotionen bei der Aktienauswahl auschaltet.
So funktioniert die Levermann-Strategie
Bei der von Susann Levermann während ihrer Tätigkeit als Fondsmanagerin für die DWS entwickelte und in ihrem Buch „Der entspannte Weg zum Reichtumg“ beschriebene Levermann-Strategie handelt es sich um eine quantitative Anlagestrategie.
Anhand von 13 Einzelkriterien wird eine Aktie bewertet, wobei für jede einzelne Kennzahl ein bestimmter Punktwert errechnet wird. Am Ende werden alle Punkte aufsummiert und ergeben den Levermann-Score. Dieser Scorwert ist dann das Entscheidungskriterium für den Kauf oder Verkauf der analysierten Aktien
Mit der Levermann-Strategie erhalten Anleger ein effektives Werkzeug, um auf einfache und nachvollziehbare Weise Aktien zu bewerten und emotionslos und stetig wiederholbar Anlageentscheidungen treffen zu können.
13 Punkte zum Erfolg: So wird der Levermann-Score berechnet
Basis für die Berechnung des Levermann-Score sind Kriterien, weswegen die Aktien in der Vergangenheit bereits eine überdurchschnittliche Kursperformance erzielen konnten. Die These ist nun, dass sich durch die Anwendung dieser 13 Kriterien die weitere Entwicklung prognostizieren lässt und mithilfe der Levermann-Strategie deshalb auf der einen Seite potenziell unterbewertete Aktien gefunden werden können und auf der anderen Seite inzwischen überbewertete Aktien aus dem Depot fliegen.
Die Kriterien zur Berechnung des Levermann-Score basieren größtenteils auf fundamentalen bzw. technischen Daten, daher ist die Levermann-Strategie ein bei Value-Investoren sehr beliebtes Instrument.
Jetzt gehts los: So berechnest du den Levermann-Score
Im ersten Schritt müssen die 13 Einzelkriterien der Levermann-Strategie bestimmt und errechnet werden, um darauf aufbauend am Ende den Levermann-Score bstimmen zu können.
Jedes einzelne Kriterium kann dabei einen der drei folgenden Werte annehmen:
- +1 Punkt
- 0 Punkte
- -1 Punkt
Kriterium 1: Ermittlung der Eigenkapitalrendite
Das Verhältnis von Gewinn zum Eigenkapital beschreibt die Eigenkapitalrendite bzw.der Return of Equity. Die Eigenkapitalrendite ist demnach die Verziinsung des Eigenkapitals eines Unternehmens in einem fest definierten Zeitraum (meist das Geschäftsjahr des Unternehmens).
Grundsätzlich gilt: Je höher die Eigenkapitalrentabilität, desto wahrscheinlicher ist eine Steigerung des Unternehmenswertes eines Unternehmens.
Punkteverteilung
- Eigenkapitalrendite > 20 Prozent = +1 Punkt
- Eigenkapitalrendite zwischen 10 und 20 Punkten = 0 Punkte
- Eigenkapitalrendite < 10 Prozent = -1 Punkt
Kriterium 2: EBIT-Marge bzw. Vorsteuergewinn-Marge
Hier wird der erzielte operative Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Earnings Before Interest and Taxes bzw. kurz EBIT) ins Verhältnis zum erzielten Umsatz in einer festgelegten Periode (in der Regel das Geschäftsjahr) gesetzt. Je höher die EBIT-Marge ist, desto mehr Gewinn bleibt vom erzielten Umsatz übrig, d.h. desto profitabler wirtschaftet das Unternehmen.
Punkteverteilung
- EBIT-Marge > 12 Prozent = +1 Punkt
- EBIT-Marge zwischen 6 und 12 Prozent = 0 Punkte
- EBIT-Marge < 6 Prozent = -1 Punkt
Kriterium 3: Eigenkapitalquote
Die Eigenkapitalquote zeigt, wie viel Prozent des Gesamtkapitals eines Unternehmens aus Eigenkapital bestehen. Je höher die Eigenkapitalquote, umso solider ist die Finanzierung und umso höher ist die Bonität des Unternehmens. Im Umkehrschluss bedeutet eine hohe Eigenkapitalquote eine niedrige Verschuldungsrate. Besteht das gesamte Kapital aus nur aus Eigenkapital, liegt die Eigenkapitalquote bei 100 Prozent.
Punkteverteilung
- Eigenkapitalquote > 25 Prozent = +1 Punkt
- Eigenkapitalquote zwischen 15 und 25 Prozent = 0 Punkte
- Eigenkapitalqote < 15 Prozent = -1 Punkt
Kriterium 4: Aktuelles Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (kurz: KGV) ist das Verhältnis des aktuellen Aktienkurses eines börsennotierten Unternehmens zum erzielten Jahresgewinn pro Aktie. Das KGV gibt damit an, wie viele Jahre es dauern würde, bis der aktuelle Aktienkurs mit dem zuletzt erwirtschafteten Gewinn pro Aktie bezahlt ist.
Während ein niedriges KGV in der Regel (es gibt hier natürlich auch jede Menge Ausnahmen) auf eine günstig bewertete Aktien hinweist, lässt ein hohes KGV in der Regel auf eine hoch bewertete Aktie schließen. In dieser verallgemeinerten Sichtweise werden aber viele für eine Anlageentscheidung wichtige Faktoren wie Wachstumsdynamik, Qualität des Managements oder die Branchenzugehörigkeit nicht berücksichtigt.
Punkteverteilung
- Aktuelle gemessenes KGV 0 bis 12 = +1 Punkt
- Aktuell gemessenes KGV zwischen 12 und 16 = 0 Punkte
- Aktuell gemessenes KGV > 16 oder < 0 = -1 Punkt
Kriterium 5: Durchschnittliches KGV für fünf Jahre
Der aktuelle Aktienkurs wird ins Verhältnis zum durchschnittlichen KGV von fünf Jahren gesetzt. Dabei werden die letzten drei Geschäftsjahre sowie die Prognosen für die kommenden beiden Jahre berücksichtigt.
Punkteverteilung
- KGV fünf Jahre 0 bis 12 = +1 Punkt
- KGV fünf Jahre 12 und 16 = 0 Punkte
- KGV fünf Jahre > 16 oder < 0 = -1 Punkt
Kriterium 6: Analystenstimmen
Susann Levermann unterstellt in der von ihr entwickelten Bewertungssystematik, dass die Analystenstimmen die Annahmen der Mehrheit widerspiegeln, d.h. Überraschungen sind nicht mehr möglich und damit auch kein weiteres Kurspotenzial für die Aktie. Aus diesem Grund gestaltet sich die Punktevergabe genau entgegengesetzt, da nur dann durch Überraschungen größere Kursbewegungen möglich sind. Für eine Kaufempfehlung gibt es deshalb nur einen Punkt, für eine Vekaufsempfehlung dagegen drei. Spricht ein Analyst eine Halteempfehlung aus, werden zwei Punkte vergeben.
In der weiteren Vorgehensweise werden nun alle vorhandenen Analystenstimmen mit Punkten versehen, die Punkte anschließend addiert und der Mittelwert errechnet, der dann Eingang in den Levermann-Score findet.
Achtung: Die Punkteverteilung unterscheidet sich auch hinsichtlich der Unternehmensgröße, also ob es sich um einen Large Cap oder Small Cap handelt (Erklärung zur Größeneinstufung am Ende des Beitrages). Bei Small Caps wird unterstellt, dass die Einstufungen nicht konträr verlaufen, sondern die tatsächliche Marktmeinung wiedergeben.
Punkteverteilung Large Caps
- Ermittelter Durchschnittswert >= 2,5 = +1 Punkt
- Ermittelter Durchschnittswert 1,5 bis 2,5 = 0 Punkte
- Ermittelter Durchschnittswert <= 1,5 = -1 Punkt
Punkteverteilung Small Caps
- Ermittelter Durchschnittswert <= 1,5 = +1 Punkt
- Ermittelter Durchschnittswert 1,5 bis 2,5 = 0 Punkte
- Ermittelter Durchschnittswert >= 2,5 = -1 Punkt
Kriterium 7: Reaktion der Aktie auf Quartalszahlen
Hier wird bewertet, wie eine Aktie auf die Veröffentlichung von Quartalszahlen reagiert. Dazu muss am Tag der Veröffentlichung von Quartalszahlen die prozentuale Kursentwicklung der Aktie ins Verhältnis zur Entwicklung des Referenzindexes gesetzt werden.
Die Annahme ist hier, dass bei einer stärkeren Performance der Aktie im Vergleich zum Referenzindex die Zahlen am Markt gut ankommen, bei einer relativ schwächeren Performance dagegen nicht so gut.
Punkteverteilung
- Verhältnis Kursentwicklung zum Referenzindex > 1 Prozent = +1 Punkt
- Verhältnis Kursentwicklung zum Referenzindex -1 Prozent bis +1 Prozent = 0 Punkte
- Verhältnis Kursentwicklung zum Referenzindex < -1 Prozent = -1 Punkt
Kriterium 8: Gewinnrevisionen
In der Regel passen Analysten ihre Einschätzung zu einem Unternehmen an, wenn sich fundamentale Änderungen ergeben oder Nachrichten eingepreist werden müssen. Deshalb wird mit diesem Kriterium erfasst, wenn Analysten ihre Gewinnschätzung pro Aktie (EPS) innerhalb der letzten vier Wochen für das aktuelle und kommende Geschäftsjahr geändert haben.
Zur Ermittlung der Kennziffer wird der aktuelle Gewinn pro Aktie ins Verhältnis zum Wert von vier Wochen gesetzt.
Punkteverteilung
- Veränderung der Gewinnschätzung > 5 Prozent = +1 Punkt
- Veränderung der Gewinnschätzung zwischen -5 und +5 Prozent = 0 Punkte
- Veränderung der Gewinnschätzung < -5 Prozent = -1 Punkt
Kriterium 9: Kurs heute im Vergleich zum Kurs vor sechs Monaten
Mit dieser Kennzahl wird ermittelt, wie sich der Kurs der Aktie im Vergleich zum Kurs vor sechs Monaten verändert hat. Damit soll ermittelt werden, ob sich die Aktie in einem mittelfristigen Aufwärts- oder Abwärtstrend bewegt.
Punkteverteilung
- Kursveränderung der letzten sechs Monate > 5 Prozent = +1 Punkt
- Kursveränderung der letzten sechs Monate zwischen -5 und +5 Prozent = 0 Punkte
- Kursveränderung der letzten sechs Monate < -5 Prozent = -1 Punkt
Kriterium 10: Kurs heute im Vergleich zum Kurs vor zwölf Monaten
Analog zum vorherigen Punkt wird hier die Kursveränderung der letzten zwölf Monate analysiert, um herauszufinden, in welcher Trendbewegung sich die Aktie befindet.
Punkteverteilung
- Kursveränderung der letzten zwölf Monate > 5 Prozent = +1 Punkt
- Kursveränderung der letzten zwölf Monate zwischen -5 und +5 Prozent = 0 Punkte
- Kursveränderung der letzten zwölf Monate < -5 Prozent = -1 Punkt
Kriterium 11: Kursmomentum
Beim Kursmomentum soll herausgefunden werden, ob es bei der Aktie in letzter Zeit eine Trendumkehr gegeben hat. Erfolgte eine Trendwende zum Positiven (also Wechsel in einen Aufwärtstrend), dann gibt es Pluspunkte, andernfalls (Wechsel in einen Abwärtstrend) werden Punkte abgezogen.
Zur Berechnung des Kursmomentums werden die in Kriterium 9 und 10 errechneten Punkte benötigt.
Punkteverteilung
- Kriterium 9 = 1 Punkt und Kriterium 10 = 0 Punkte oder -1 Punkt = +1 Punkt
- Kriterium 9 = -1 Punkt und Kriterium 10 = 0 Punkte oder +1 Punkt = -1 Punkt
- Alle anderen Konstellationen = 0 Punkte
Kriterium 12: Dreimonatsreversal
Gibt an, wie sich eine Aktie innerhalb der letzten drei Monate im Verhältnis zum Referenzindex entwickelt hat. Im Modell von Susann Levermann erfolgt diese Berechnung nur für Large Caps.
Punkteverteilung
- Performance < als Vergleichsindex = +1 Punkt
- Performance > als Vergleichsindex = -1 Punkt
- Nichts trifft zu = 0 Punkte
Kriterium 13: Erwartetes Gewinnwachstum
Hier wird der in Aussicht gestellte Gewinn pro Aktie (EPS) für das kommende Geschäftsjahrmit ins Verhältnis zum Gewinn pro Aktie des aktuellen Geschäftsjahres gestellt. Positiv bewertet wird, wenn der prognostizierte Gewinn im Vergleich zum aktuellen Gewinn prozentual deutlich zulegen kann.
Punkteverteilung
- EPS nächstes Jahr im Verhältnis EPS aktuelles Jahr > 5 Prozent = +1 Punkt
- EPS nächstes Jahr im Verhältnis EPS aktuelles Jahr < -5 Prozent = -1 Punkt
- Alle übrigen Fälle = 0 Punkte
Berechnung des Levermann-Score
Wenn alle Punkte für die einzelnen Kritierien ermittelt wurden, werden diese am Ende noch aufaddiert und ergeben dann den Levermann-Score, auf dessen Basis dann die finalen Anlageentscheidungen für Einzelaktien (Kaufen, Verkaufen, Halten) getroffen werden.
Entscheidungsfindung bei der Aktienauswahl
Bevor anhand des ermittelten Levermann-Score tatsächlich eine Entscheidung zum Kauf oder Verkauf einer Aktie getroffen werden kann, muss diese anhand der Marktkapitalisierung des Unternehmens der Kategorie „Large Caps“ oder „Small und Mid Caps“ zugeordnet werden.
Damit eine Aktie ein Kauf ist, sollte sie bei den oben genannten 13 Kriterien in Summe mindestens die folgende Punktzahl erreichen:
- Large Caps: mindestens 4 Punkte
- Small + Mid Caps: mindestens 7 Punkte
Eine Aktie verkaufen sollte man auf Basis der Levermann-Strategie, wenn die Bewertung nach Aufrechnung der Gesamtpunkte auf oder unter die folgenden Grenzen fällt:
- Large Caps: Bewertung fällt auf 2 Punkte oder darunter
- Small + Mid Caps: Bewertung fällt auf 4 Punkte oder darunter
Susann Levermann rät Anleger in ihrem Buch „Der entspannte Weg zum Reichtum“, die Kriterien alle ca. zwei Wochen zu überprüfen und bei Bedarf zu handel. Wem das zu viel Aufwand ist, dann kann auf zahlreiche automatisierte Tools zurückgreifen, die zur Umsetzung der Levermann-Strategie angeboten werden.
Nach Ansicht von Susann Levermann sollte sich ein gut aufgestelltes und diversifiziertes Depot aus 10 bis 30 Einzelwerten zusammensetzen.
Viel Erfolg bei der Umsetzung!