Gewährt ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer regelmäßig wiederkehrend Zuwendungen oder Vergünstigungen bzw. lässt ein regelmäßiges Wiederholen bestimmter Verhaltensweisen auf den Willen des Arbeitgebers schließen, dass auch zukünftig Leistungen bzw. Vergünstigungen gewährt werden, dann kann das zu einem Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf diese Leistung führen. Man spricht von einer betrieblichen Übung bzw. Betriebsübung. Die wohl bekanntesten Beispiele für eine betriebliche Übung sind freiwillig gezahlte Weihnachts- oder Urlaubsgelder.

Solange die Geschäfte gut laufen, gewähren Unternehmen diese Leistungen gern an ihre Mitarbeiter. Das fördert die Motivation und sorgt für ein gutes Betriebsklima. Kritisch wird es ab dann, wenn die Geschäfte plötzlich schlechter laufen und diese Leistungen nicht gewährt werden können. Dann haben Arbeitnehmer alleine aufgrund der regelmäßigen Zahlungen der letzten Jahre evtl. einen Rechtsanspruch erworben, der im Worst Case sogar den Unternehmensfortbestand gefährden kann.

Wie Arbeitgeber deshalb von Anfang an verhindern können, dass freiwillig gewährte Leistungen und Vergünstigen zu einer betrieblichen Übung werden, wann die Voraussetzungen für eine betriebliche Übung vorliegen und ob und wie diese beendet werden kann, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Was versteht man unter einer betrieblichen Übung?

Eine betriebliche Übung (kurz: Betriebsübung) ist die regelmäßige Wiederholung von bestimmten Verhaltensweisen bzw. Vorgängen eines Arbeitgebers, durch die der Arbeitnehmer darauf schließt, das der Arbeitgeber sich auch zukünftig so verhalten wird, z.B. indem die Leistung bzw. Vergünstigung dauerhaft gewährt wird. Durch die betriebliche Übung werden freiwillige Leistungen des Arbeitgebers verpflichtend, auf die der Arbeitnehmer dann einen Rechtsanspruch hat, da er diese als Vertragsangebot des Arbeitgebers werten kann und stillschweigend annimmt. Der Arbeitgeber gewährt diese Leistung ohne Rechtsgrundlage.

Die üblich gewordene Leistung des Arbeitgebers und die stillschweigende Annahme des Arbeitnehmers wird als betriebliche Übung ein Vertragsbestandteil des Arbeitsverhältnisses, der Inhalt des Arbeitsvertrages erweitert sich und der Arbeitnehmer erhält einen Anspruch auf die Leistung bzw. Vergünstigung.

Praxisbeispiele für die betriebliche Übung

Beispiele für betriebliche Übungen gibt es zahlreiche. Aufgrund regelmäßiger Wiederholung von Leistungen können das z.B. sein:

  • Zahlung von Weihnachtsgeld
  • Zahlung von Urlaubsgeld
  • Gewährung von Jubiläumszulagen
  • Übernahme von Fortbildungskosten
  • Bereitstellung eines Firmenparkplatzes
  • Fahrtkostenzuschüsse
  • Prämienzahlung aufgrund der Firmenzugehörigkeit
  • Regelung von Krankmeldungen (wann die Meldung erfolgen muss)
  • Pausenregelungen / Bezahlte Raucherpausen
  • Freistellung an bestimmten Tagen (Fasching)
  • Freiwillige Anwendung eines Tarifvertrages zugunsten der Arbeitnehmer
  • Erlaubnis für private Email- oder Internetnutzung

Wie entsteht eine betriebliche Übung?

Weder ist die betriebliche Übung gesetzlich geregelt noch gibt es eine allgemeine Regel, ab wann eine betriebliche Übung vorliegt und der Arbeitnehmer somit einen Rechtsanspruch auf diese hat. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass eine vom Arbeitgeber:

über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg vorbehaltlos jeweils zum Jahresende an einen Arbeitnehmer erbrachte als „Sonderzahlung“ bezeichnete Leistung in unterschiedlicher Höhe,

vom Arbeitnehmer als verbindliches Angebot i.S. von § 145 BGB auf Leistung einer jährlichen Sonderzahlung betrachtet werden kann. Bei einer jährlichen Leistung würde also ab dem vierten Jahr ein rechtlicher Anspruch auf die Leistung entstehen.

Abgesehen von diesem Richtwert für jährliche Zahlungen sind bei allen anderen freiwillig gewährten Leistungen bzw. Vergünstigungen die Art, Dauer und die Häufigkeit der Leistung und deren Intensität maßgeblich

Wie kann eine betriebliche Übung verhindert werden?

Um eine betriebliche Übung von Anfang an zu verhindern und so in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten nicht unbeabsichtigt vor einer Reihe an rechtsverbindlichen Zusagen für Sonderzahlungen zu stehen, können sich Arbeitgeber verschiedener arbeitsrechtlicher Instrumente bedienen.

Leistung nicht regelmäßig leisten

Um eine betriebliche Übung zu verhindern, kann der Arbeitgeber darauf achten, die Leistung bzw. Vergünstigung nicht regelmäßig zu gewähren, da dann die geforderte Regelmäßigkeit fehlt. Beispielsweise, indem er in zwei darauffolgenden Jahren ein Urlaubsgeld zahlt und danach die Zahlung aussetzt. Allerdings besteht hier immer die Gefahr, dass die „drohende Regelmäßigkeit“ vergessen wird und der Arbeitgeber dann plötzlich vor einer betrieblichen Übung steht. In größeren Unternehmen lassen sich häufig auch nicht alle gewährten Vergünstigungen so einfach überwachen.

Freiwilligkeitsvorbehalt

Die bessere Lösung, um eine betriebliche Übung zu verhindern, ist die Erklärung des Freiwilligkeitsvorbehalts gegenüber den Arbeitnehmern. In der Erklärung bringt der Arbeitgeber zum Ausdruck, dass die Leistung (bzw. Vergünstigung) auf freiwilliger Basis erfolgt, für die Zukunft nicht garantiert ist und sich deshalb auch kein Rechtsanspruch aus der Zahlung ableiten lässt.

Solche Vereinbarungen sollten vertraglich vereinbart werden und sind beispielsweise häufig Bestandteil von Arbeitsverträgen.

Wie kann eine betriebliche Übung beendet werden?

Arbeitgeber können ein durch die betriebliche Übung entstandenes Recht nicht einfach durch einseitigen Widerruf oder das Direktionsrecht des Arbeitgebers beenden.

Widerrufsvorbehalt

Hat sich der Arbeitgeber das Recht zum Widerruf der betrieblichen Übung vorbehalten, kann er diese Übung widerrufen. Voraussetzung dafür ist aber, das der Widerruf gerechtfertigt ist und das auch gerichtlich überprüft werden kann.

Änderungskündigung

Können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht einvernehmlich auf ein Ende der betrieblichen Übung einigen, kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Änderungskündigung, verbunden mit einem neuen Vertragsangebot, aussprechen. Das neue Vertragsangebot sollte dann selbstverständlich die betriebliche Übung nicht mehr enthalten. Weiterhin muss die Änderungskündigung sozial gerechtfertigt sein. Die Voraussetzungen für eine Änderungskündigung sind sehr hoch und bedürfen der Zustimmung des Arbeitnehmers.

Ist die Beendigung durch Betriebsvereinbarung oder negative Übung möglich?

Nicht beendet werden kann eine bestehende betriebliche Übung dagegen durch eine neue Betriebsvereinbarung, da der Betriebsrat nicht die Befugnisse hat, arbeitsvertragliche Regelungen zu ändern. Zudem müssen Betriebsvereinbarungen günstiger sein als Regelungen im einzelnen Arbeitsvertrag, um die es sich bei einer betrieblichen Übung handelt.

Auch durch eine negative bzw. gegenläufige Übung, bei der der Arbeitgeber den Anspruch eines Arbeitnehmers aus einer betrieblichen Übung durch eine gegenläufige betriebliche Übung beseitigt hat, kann mit Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2009 (10 AZR 281/08) die betriebliche Übung nicht mehr beendet werden.

Fazit

Eine betriebliche Übung kann aus zahlreichen vom Arbeitgeber gewährten freiwilligen Leistungen oder Vergünstigungen an Arbeitnehmer entstehen, die regelmäßig wiederholt werden und der Arbeitnehmer aus diesem Verhalten einen Rechtsanspruch erwirkt. Es gibt einige arbeitsrechtliche Möglichkeiten, eine betriebliche Übung von Anfang an zu verhindern, von denen Arbeitgeber Gebrauch machen sollten. Denn tritt eine betriebliche Übung tatsächlich ein, ist es sehr schwer, diese zu beenden.

Arbeitgeber sollten sich also immer bereits im Vorfeld von freiwillig gewährten Leistungen oder Vergünstigen an ihre Arbeitnehmer intensiv damit auseinandersetzen und bedenken, dass diese auch in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten zu leisten sind und dann das Unternehmen im Worst Case sogar in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen können.

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